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„Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht? Ein Praxishandbuch“

Wenn ihr meinen Blog häufiger besucht, wisst ihr um meine Bemühungen zu gendergerechterer Sprache. Manchmal bin ich mir bei Formulierungen aber unsicher und natürlich könnte ich einiges besser machen. Wie gut, dass kürzlich dieses „Praxishandbuch zu Gender und Sprache“ bei w_orten und meer erschienen ist, einem Verlag für diskriminierungskritisches Handeln.

Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht?
Autor*innen: Lann Hornscheidt & Ja‘n Sammla | Verlag: w_orten & meer
Erschienen im Januar 2021 | Seiten: 156 | Werbung: Rezensionsexemplar

Warum überhaupt divers schreiben?

Bisher werden Menschen meist in Frauen und Männer eingeteilt. Menschen sind aber vielfältig und verschieden. Alle Menschen, die sich nicht als Mann oder Frau sehen, werden mit diesen Begriffen nicht mitgemeint, verschwinden quasi zwischen ihnen. Ich glaube, das ist ein scheiß Gefühl. Und außerdem ist es diskriminierend. Ideen für neue Formulierungen gibt es viele, einige davon sind im Praxishandbuch versammelt. Ziel des Handbuches ist es, “allen Menschen, die diskriminierungskritisch kommunizieren möchten, Ideen, Inspirationen und Vorschläge zu geben, wie dies in Bezug auf Gender möglich ist” (S. 16). In der Hoffnung, dass wir in Zukunft respektvoller miteinander kommunizieren.

Das Buch besteht aus sechs Teilen:

  1. Teil: Wie schreibe ich divers? Ein erster Überblick
  2. Teil: Strategien zum gendergerechten Formulieren
  3. Teil: Alltägliche Kommunikationssituationen gendergerecht gestalten
  4. Teil: Berufliche, öffentliche und Dienstleistungs-Kommunikation gendergerecht gestalten
  5. Teil: Beispiele für umgeschriebene Texte
  6. Teil: Zusammenfassung, Danke und Weiterlesen

Anhand der Überschriften lässt sich schon erahnen: Es wird versucht, der Leser*in für viele Situationen ein konkretes Handwerkszeug für gelingende respektvolle Kommunikation an die Hand zu geben. Wie schreibe ich eine Mail an eine Person, von der ich nicht weiß, wie sie sich gendermäßig versteht? Wie vermeide ich es bei einem Telefonat, anhand der Stimmlage voreilig auf das Gender der anderen Person zu schließen? Was mache ich, wenn ein Wort quasi nur aus Gender besteht, zum Beispiel “Onkel” oder “Cousine”? Wie lassen sich “man” oder “niemand” umformulieren? Solche Situationen werden unter die Lupe genommen.

Genderinklusiv, Genderfrei oder Genderismus bennenen?

Die vorgeschlagenen Formulierungen werden drei verschiedenen Kategorien zugeordnet. Genderinklusiv meint zum Beispiel “dier* Streitschlichter*in” oder “d_ier Lehrer_in”. Genderfreie Formulierungen sind Sprachformen, in denen Gender nicht vorkommt, etwa “Person, die unterrichtet” oder, ganz spannend, eine Formulierung mit der Endung -ens, “einens Lehrens”.

Formulierungen, die Genderismus benennen, legen Diskriminierungsstrukturen gezielt offen. Darunter konnte ich mir anfangs wenig vorstellen, aber auch hier gibt es natürlich Beispiele:

Prädikat: sehr wertvoll

Vieles in diesem Praxishandbuch war auch für mich neu, manches sehr ungewohnt, aber genau darum geht es ja: “Sprache wird von allen überall und immer verwendet – und kann kontinuierlich neu gestaltet werden” (S.16). Also, warum nicht damit anfangen? Es geht ja auch gar nicht darum, auf einmal nur noch gendergerecht zu kommunizieren. All die gesammelten Formulierungen sind auch lediglich Vorschläge und keinesfalls in Stein gemeißelt.

Aber mehr Verantwortung für das eigene Sprachhandeln übernehmen und reflektieren, wie mensch manchmal diskrimierend und ausschließend kommuniziert – das wäre doch ein guter Anfang. Und dann mal die ein oder andere Formulierung ausprobieren… Kann ja nicht schaden. Und ehe wir uns versehen, ist unsere Sprache vielleicht unterbewusst ein klein wenig respektvoller geworden. Anhaltspunkte für Sprachreflektion liefert „Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht? Ein Praxishandbuch“ jedenfalls genug. Und dafür gibt es 5 von 5 Lesezeichen von mir.

Der Song zum Buch

11 Kommentare zu „„Wie schreibe ich divers? Wie spreche ich gendergerecht? Ein Praxishandbuch““

  1. Hallo,

    ich weiß, dass das Gendern für viele ein heißes Eisen ist, ein Unding, ein Verbrechen an der Sprache… Aber ich denke auch: Sprache ist fließend, sie kann und muss sich verändern, mit Entwicklungen mitwachsen.

    In letzter Zeit bemühe ich mich bewusster, inklusiv zu formulieren – obwohl ich immer noch oft automatisch in das generische Maskulinum verfalle… Und ich habe aus diesem Beitrag schon wieder was mitgenommen, was ich für mich persönlich hilfreich finde. “Der*die Leser*innen” las sich für mich immer sperrig, da finde ich “dier* Leser*innen” angenehmer.

    Das Buch kommt mal auf die Leseliste!

    LG,
    Mikka

    P.S.: Mein Vorname lässt nicht notwendigerweise auf Geschlecht oder Gender schließen, daher bekomme ich automatisch viel Post an “Lieber Herr Gottstein”. Ulkigerweise versucht es nie jemand mit einer neutralen Anrede!

    1. Hey Mikka,

      ich habe jetzt in Mails an unbekannte Personen angefangen, neutrale Formulierungen zu verwenden, z.B. „Liebes XY-Verlagsteam, …“
      Vielen Dank für deinen Einblick in die eigenen Erfahrungen, zeigt ja sehr deutlich, wie sinnvoll neutrale Anreden sind. Weil mensch nunmal nicht von Vorerfahrungen/Vorurteilen auf das Gender der Person schließen kann.
      Schön, dass du aus meinem Beitrag etwas mitgenommen hast. In dem Praxisleitfaden wirst du noch viel mehr Anregungen finden.

      Liebe Grüße,
      Nico

  2. Hi Nico,

    ich finde es wirklich schlimm, wenn sich jemand diskriminiert fühlt, aber ich denke nicht, dass man das Problem über die Sprache lösen kann. Und ich denke auch nicht, wenn man es über die Sprache löst, folgt der Kopf – ich glaube, das muss andersrum passieren 🙂

    „dier* Streitschlichter*in“ oder „d_ier Lehrer_in“

    Gruselig, sorry. Damit komme ich nicht klar.
    Ich verstehe auch nicht, warum man unter “Die Lehrer” nicht ALLE Menschen einschließen kann. Warum muss man das Geschlecht so sehr in den Vordergrund rücken … zum einen heißt es, wir sind alle gleich, gleichzeitig soll man die Unterschiede aber hervorheben?

    Mir ist es völlig egal welches Geschlecht oder welche sexuellen Vorlieben jemand hat. Warum muss ich also explizit darauf hingewiesen werden? Vielleicht denke ich auch falsch oder veraltet, keine Ahnung. Aber mit den Sprachexperimenten kann ich mich einfach nicht anfreunden.

    Die Menschen sind für mich alle, genauso wie die Blogger, die Leser etc. ich hab mich da als Frau noch nie ausgegrenzt gefühlt – steht ja auch überall ein “die” davor *lach*

    Nicht böse sein, aber bei dem Thema sind wir einfach anderer Meinung.

    Das Sprache sich verändert ist mir klar, aber das kommt “von selbst” und nicht “erzwungen”.

    Liebste Grüße, Aleshanee

  3. Hallo,

    ich habe das Buch inzwischen gelesen, und mir schwirrt der Kopf – so viele Möglichkeiten!

    Ich habe mir eine Liste gemacht, damit ich auf meinem Blog durchgehend die gleichen Formen anwende.

    Wer? si:er
    Wessen? ihr:sein
    Wem? ihr:m
    Wen? sie:hn

    di:er weise:r Lehrer:in
    der:s weisen Lehrer:in
    der:m weisen Lehrer:in
    die:n weise:n Lehrer:in

    jemand: ein Mensch / eine Person / mensch

    niemand: kein Mensch / keine Person/ keine:r

    jeder: jede:r / alle

    keiner: keine:r

    man: mensch

    Das sind die gender-inklusiven Formen, mit den gender-neutralen Formen tue ich mich noch schwer. Die ens-Form finde ich einfach sehr sperrig zu lesen, vor allem mit Adjektiven. Ich habe gestern eine Rezension zum Roman einer Person geschrieben, die sich selber als nonbinär identifiziert. Im Endeffekt habe ich versucht, um Pronomen drumrum zu schreiben. Aber was mache ich denn mit Autor:in? Autor:ens? Aber das wird Leser:innen verwirren, die diese Form nicht kennen…

    Es wäre schön, wenn es eine “offizielle” genderneutrale Form geben würde, die überall verwendet wird, so dass Menschen auch wissen, was sie da lesen.

    LG,
    Mikka

    1. Hi Mikka!

      “Es wäre schön, wenn es eine „offizielle“ genderneutrale Form geben würde, die überall verwendet wird, so dass Menschen auch wissen, was sie da lesen.”

      Die kann es nicht geben, da das generische Maskulin tief in der deutschen Sprache verwurzelt ist. Ganze Satz-Phrasen würden wegfallen und Du müsstest ein neues Deutsch definieren. Noch mehr Probleme wirst Du bekommen, wenn Du versuchst, zusammengesetzte Worte zu gendern. Was wird z.B. aus einem Leserkreis?

      Viele Grüße
      Frank

      1. Ich denke, früher oder später muss sich auch ein neues Deutsch entwickeln, um echte Diversität und Akzeptanz zu erreichen. Aber wahrscheinlich muss sich das selber entwickeln…

        Also, wir nennen das ja immer Lesekreis, nicht Leserkreis! Aber im Zweifelsfall würde ich sonst Leser:innenkreis sagen.

    2. Hallo Mikka,

      ich finde es toll, dass du für deinen Blog eine Liste gemacht hast. Hast du die Formen dann in einen eigenen Beitrag oder auf eine Seite gepackt, damit Leser*innen deines Blogs direkt eine Übersicht haben?

      Ich werde jedenfalls aktiv mitmachen beim Verändern unserer Sprache =) Du hast Recht, bei einer schreibenden Personen, bei der die Pronomen unklar sind, wird es schwierig. Vor dem Problem stand ich kürzlich auch. Ich habe dann andere Interviews der Person angeschaut und die Homepage + Social Media. Da ich nirgends etwas über die Pronomen gefunden habe, habe ich dann “sie” verwendet, wie in den Interviews.

      Liebe Grüße und ein schönes Wochenende,
      Nico

      1. Hallo,

        ich will erstmal eine Weile austesten, ob diese Liste für mich gut funktioniert, oder ob ich da doch noch leicht andere Formen verwende.

        Ich bin noch nicht sicher, ob ich danach eine Liste machen möchte oder den Leser:innen es einfach still schweigend zutraue, das zu verstehen.

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