Sprache ändert sich ständig, ist immer im Fluss. Sprache ist nicht starr und fest, Wörter verschwinden und es kommen ständig neue hinzu. Das beweist zum Beispiel ein Blick auf die Liste der „Jugendwörter des Jahres“, oder benutzt heute noch jemand „Babo“ und „Smombie“? Neue Phänomene wollen benannt, gesellschaftliche Strömungen eingegliedert werden. Wie seltsam dann, dass in so vielen Science Fiction Büchern (die ich gelesen habe) genau so gesprochen wird, wie heute. Aufgefallen ist mir das erst, als ich einen Überblick über „Jockey Slang“ mit Erklärungen der meistgenutzten Begriffe am Anfang von „Ace in Space“ gesehen habe. Die Sprache ist ein interessanter Punkt des Buches, aber sicher nicht der einzige.

Ace in Space | Autor*innen: Judith und Christian Vogt | Verlag: Ach Je Verlag
Veröffentlicht am: 30.06.2020 | Seiten: 466
Children of Anarchy im Weltall
CN (aus dem Buch entnommen): Dysfunktionale Mutter-Tochter-Beziehung; Drogenmissbrauch; krankhafte Veränderungen des Auges (bei Antagonist*innen, nicht bei Perspektivfiguren); Bombardement von Zivilist*innen; PTSD und Angstzustände; explizite Sexszenen; sexuell explizite Beleidigungen; Hierarchie und Gewalt in Hierarchien; Cybergliedmaßen und -sinnesorgane
Im Fokus von „Ace in Space“ steht die Pilotin Danai, die nach einem traumatischen Ereignis mitsamt Raumjäger aus ihrem privilegierten alten Leben flieht und sich zu ihrer Mutter auf gesetzlosen Boden. Danais Mutter Marlene ist President der Jockey Gang Daredevils, die mit Drogen dealen und Straftaten für Geld begehen. Dafür müssen sie ihre Raumjäger ziemlich gut beherrschen, sonst sinkt die Lebenserwartung schnell beträchtlich.
Riskante Flugmanöver und Stunts werden gestreamt, denn Social Media dominiert auch die Zukunft. Follower und Likes bringen Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit bringt Geld. Lediglich Danai ist Aufmerksamkeit überhaupt nicht recht, denn wenn die falschen Personen auf sie aufmerksam werden, könnte ihre Vergangenheit sie ganz schnell wieder einholen…

Fantastisch progressiv!
Gemeinsam mit James A. Sullivan stehen Judith und Christian Vogt an der Spitze einer Bewegung, die die Phantastik erneuern und diverser gestalten will. Schluss mit rassistischen und antifeministischen Tropes, dafür mehr marginalisierte Figuren in wichtigen Rollen, eine Zukunft, die sich auch in Genderfragen weiterentwickelt, und und und… Kurz gesagt ist es der Versuch, die deutschsprachige Phantastik aus der Steinzeit herauszuholen, in der sie es sich schon seit Jahrzehnten gemütlich gemacht hat. Und ich wünsche mir von Herzen, dass dieser Versuch trotz erzkonservativem Buchmarkt und Gatekeeping im Literaturbetrieb gelingt. (Nebenbei: Ich durfte Judith schon einmal zum Thema “gendergerechte Sprache” interviewen – den entsprechenden Beitrag findet ihr hier.)
In „Ace in Space“ finden sich selbstverständlich Personen mit Beeinträchtigungen (zum Beispiel mit einem Hoverstuhl), Schwarze Figuren und Figuren mit nichtbinären Pronomen. Allein dafür möchte ich schon applaudieren, gefühlt ging das alles sogar noch einen Schritt weiter als beim vorherigen Buch der beiden, “Wasteland“.
Gleichzeitig ist auch die Geschichte lesenswert, obwohl das Gang-Thema eigentlich gar nicht Meins ist. Die Handlung bietet einiges an Überraschungen, das Erzähltempo hat mich nach einem etwas holprigen Start zunehmend in die Geschichte reingezogen und auch die Weltraumkäpfe können es von der Spannung her absolut mit den Weltraumschlachten in “Star Wars“ aufnehmen. Ein weiteres Plus: Die Sexszenen, die weder komplett unrealistisch noch zum Schämen unangenehm sind (auch eine Kunst). Dazu hat Judith auf Twitter übrigens Folgendes geschrieben:
Also ich mache es kurz: 5 von 5 Lesezeichen für „Ace in Space“ gibt es von mir und gleichzeitig habe ich alle zukünftigen Bücher von Judith und Christian vorbestellt (“Anarchie Déco“ erscheint schon im August!). Thema egal. (Mensch kann die beiden – und damit den Umsturz der patriarchalen Phantastik – übrigens auch auf Patreon unterstützen.)
